Die Neubürg bei Wohnsgehaig (Lkr.Bayreuth) - der Sitz der Götter









Die Neubürg bei Wohnsgehaig ist sicherlich der unbekannteste der hier vorgestellten Berge, aber auch der stimmungsvollste. Die ganze Gegend ist erstaunlich einsam für die Fränkische Schweiz, und auf dem Berg selbst hat der Autor zumindest noch nie eine Menschenseele angetroffen, was auf dem Hesselberg bei schönem Wetter etwa ganz anders sein kann. Wer sich auf das Hochplateau hinaufgekämpft hat, wird mit einer sagenhaften Aussicht in alle Himmelsrichtungen belohnt.
Die Neubürg war einer der germanischen Heiligtümer, man hielt sie für die Wohnstatt des Göttervaters Wotan. In den Fluren westlich der Burg, glaubte man, ginge Wotan seiner Jagdlust nach, davon leitet sich auch der Name "Wohnsgehaig" ab (="Wotansgeheg").
Wer - zumindest in den Übergangsjahreszeiten - hinauf will, sollte sich warm anziehen. Der Autor hat es dort oben nie anders als stürmisch erlebt.
Seit einem halben Jahr wird die Neubürg auch künstlerisch genutzt. Zwölf Künstler aus dem In- und Ausland haben extra für die Neubürg Kunstobjekte erschaffen und auf dem Plateau und auf den Hängen mehr oder weniger verborgen aufgestellt. Ich beobachte diese Entwicklung mit einem lachenden und zugleich einem weinenden Auge. Lachend deshalb, weil sich diese Kunstwerke tatsächlich perfekt in die Stimmung der einsamen Landschaft einfügen und den Berg noch weiter aufwerten, weinend, weil zu befürchten ist, daß die Neubürg damit aus ihrem paradiesischen Dornröschenschlaf erwachen könnte.


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Die Neubürg - die Wohnstatt Wotans

Die Neubürg galt als der Wohnsitz des Göttervaters. Alljährlich hielt Wotan an den zwölf heiligen Nächten nach der Wintersonnenwende (zwischen Weihnachten und Dreikönig) auf dem Wotansberg großen Götterrat. Dann kamen alle Götter Germaniens auf der Neubürg zusammen. Sie saßen auf dem Berg in goldenen Stühlen und waren mit Sternen geschmückt, die sie vom Himmel heruntergenommen hatten. Wenn die Götter Zerstreuung suchten, gingen sie im Wotansgeheg jagen. Als Diener hatte Wotan zwölf Zwerge, die im Innern des Berges lebten. Außerdem standen neben seinem Thron stets zwölf feurige Männer und zwölf Blumengeister. Diese 32 standen ihm stets bei und begleiteten ihn überallhin. Die zwölf feurigen Männer hatte Wotan vom Sonnengott gestellt bekommen, die zwölf Blumengeister machten die Erde fruchtbar und säumten allezeit die Wege Wotans mit Blüten.
Für die Germanen war die Neubürg eine überregionale Kultstätte. Jedes Jahr kamen zur Sommersonnwende die Germanen in Scharen heran und lagerten um die Neubürg herum. Auf dem Berge selbst lebte die große Wotanspriesterin. Bei den großen Kultfesten stand die oben auf dem Plateau und betete mit erhobenen Händen zum Göttervater. Schweigend, jeweils paarweise, zogen die Germanen in einem langen Prozessionszug an der Priesterin vorbei. Sie umwanderten siebenmal die Neubürg und erflehten den Segen des Gottes. Erhob sich ein Sturmgebraus, dann nahte Wotan, und alle warfen sich zu Boden. Man glaubte, im Inneren des Berges seien die unermeßlichen Schätze Wotans verborgen, aber niemand wagte natürlich auf nur einen Spatenstich in die heilige Erde zu tun.

Die letzte Wotanspriesterin

Die letzte Wotanspriesterin auf der Neubürg hieß Wonnefried. Sie war eine sehr gläubige und nahm es trotz ihrer Jugend mit ihrem Keuschheitsgelübte ausgesprochen ernst. Bei Sonnenaufgang war sie es, die beim ersten Lerchengesang zum Himmel flehte, und am Abend war sie die letzte, die in der Dämmerung die Verehrungswege um den Berg antrat. Bei einem der Sonnwendfeste kam auch ein gewisser Edron mit zum Wotansberg und entbrannte augenblicks in Liebe zu Wonnefried. Er zog nicht wieder mit den anderen Germanen nach dem Feste ab, sondern lagerte in einem nahen Wald zu Fuße der Neubürg und warb täglich um die Gunst Wonnefrieds. Wonnefried betete zu ihrem Gott, er möge ihr die Kraft geben, der Versuchung zu widerstehen. Schließlich erlaubte sie ihm, in ihrer Nähe zu bleiben, wenn er ebenfalls Enthaltsamkeit verspreche. Dem willigte Edron ein und, so wurde er Priester neben der Priesterin. Oft saßen sie oben am Wotansaltar Hand in Hand und verehrten gemeinsam Wotan.

Die Christen kommen

Doch diese glücklichen Jahre sollte nicht ewig währen. Eines Tages kamen die ersten Christen von Westen. Sie versuchten die Germanen mit vielen Worten zu bekehren oder zwangen sie gewaltsam, von ihrem Glauben abzuschwören. Als die Priesterin hörte, daß ein Stamm nach dem anderen von Wotan abfiel, wollte ihr schier das Herz zerbrechen. Da überredete sie ihren Freund Edron, ein Heer der Getreuen gegen die Christen zu führen. Wotan habe ihnen sogar erlaubt, in diesem Fall ihr Keuschheitsgelübte aufgeben zu dürfen. Edron gürtete sein Schwert um und sammelte eiligst Anhänger des alten Glaubens. Die Anhänger des Christentums waren aber schon viel zahlreicher, und die Schlacht ging verloren. Wonnefried und Edron beweinten die zahllosen Gefallenen.
Immer mehr wurden die Christen, immer mehr diejenigen, die vom Glauben an Wotan abfielen. Da wurde den mittlerweile schon alten Priestern eines Tages zugeflüstert, daß die Christen den großen Wotansaltar am kommenden Tage stürzen wollten.
Wonnefried nahm zum letzten Mal die heiligen Handlungen vor. Dann umarmte die Edron, und zu zweit suchten sie die steilste Stelle des Berges auf (Hochstein), küßten sich und befahlen ihre Geister dem Allvater Wotan. Danach stürzten sie sich in den Abgrund.
Als am nächsten Morgen die Christen kamen, fanden sie ihre Widersacher umschlungen tot am Felsen liegen. Heimliche Anhänger des alten Glaubens hatten sie dann mit Blumen bekränzt, andere erzählen, es seien die Zwerge Wotans gewesen, die im Berge leben.
Die christlichen Priester aber zerstörten bei hellem Sonnenschein den Wotansaltar und warfen die Steine den Berg hinunter.
Häufig heißt es, daß die Neubürg sargdeckelförmig sei, weil darunter der Gott Wotan begraben liege.



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Der Schatz in der Neubürg

Im Innern der Neubürg ist ein großer, hoher Saal. Mitten darin steht eine riesige Truhe, die überquillt von Gold, Edelsteinen und Geschmeiden. Durch einen schmalen, tiefen Felsspalt kann man zu diesem Raume vordringen. Manch einer ist dieses Husarenstück schon eingegangen, doch selbst die Mutigsten wagten es nicht, Hand an die Truhe zu legen, denn darauf sitzt ein riesiger Pudel, größer als ein Nilpferd, mit feurig glühenden Augen, so groß wie Wagenräder.
Manchmal - vor allem bei Nacht - verließ dieser Hund aber auch die Höhle. Er wurde mehrere Male auf dem Weg von Wohnsgehaig nach Gollensbach (heute die Hauptstraße Richtung Bayreuth) gesehen. Wer ihm begegnete, wurde von einer eigentümlichen, vorübergehenden Lähmung befallen.
Zuletzt wurde der Pudel von dem Urgroßvater des H.Teufel, Wohnsgehaig 21, beobachtet. Er hatte die schwere Geldkiste auf dem Rücken gebunden und wanderte die Neubürg herab. Seit dieser Zeit blieb der Pudel jedoch verschwunden. Manche vermuten, weil der Spalt, der ins Innere des Berges geführt hatte, vor einiger Zeit zusammengestürzt ist.


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Die Zwerge in der Neubürg

Wie wir schon gehört haben, sollen auch in der Neubürg Zwerge wohnen. Sie gehörten dereinst zum Gefolge des Wotan.
In grauer Vorzeit, so heißt es, stand auf der Neubürg eine mächtige Burg. Unter der Burg aber hauste, tief unten in einer Höhle, ein Völkchen gutmütiger Zwerge. Einzelne wurden bald da, bald dort gesichtet. Ein Schäfer will sogar einmal mit ihnen gesprochen haben. In größerer Zahl gingen sie nur nachts aus. Meistens halfen sie den Menschen. Mancher Bauer wunderte sich, daß am Morgen seine Arbeit auf den Feldern schon getan war. Besonders in der Schöchleinsmühle gingen sie nachts ein und aus (einsam gelegenes, auch heute noch vorhandenes Mühlhaus im Zeubachtal - von Wohnshehaig ausgesehen auf der gegenüberliegenden Seite der Neubürg).
Wenn der Müller und seine Familie und seine Gesellen alle schliefen, reinigten und netzten sie das Mahlgut, mahlten das Getreide und füllten die Mehlsäcke.
Am gnädigsten zeigten sie sich einmal einem armen Schäfer gegenüber. Eines schönen Sommertags hütete der am Hang der Neubürg seine Schafe. Er zog ein Stück trocken Brot aus seiner Tasche und warf, obwohl er Hunger litt, auch seinem Hund einen Brocken davon hin. Doch der verschmähte ihn zu seiner Verwunderung. Als sein Hund auch in den nächsten Tagen die spärliche Nahrung verweigerte, fürchtete er, sein treuer Begleiter sei krank. Aber das konnte nicht sein, denn das Tier wurde immer lebhafter, legte deutlich an Gewicht zu, und sein Fell wurde glänzender.
Er vermutete, daß der Hund von jemandem gefüttert würde, doch es gelang ihm nicht, ihm zu folgen. So band er auf den Rat seiner Frau ein Knäuel Wolle an das Halsband. Schließlich folgte er dem abgerollten Garn. Es führte in ein Felsloch direkt am Fuß des Hochsteins, er kroch, verwundert dem Faden folgend, immer tiefer in das Innere der Neubürg und kam nach langer Zeit in eine schummrig erleuchtete Höhle. Dort fand er seinen Hund unter Zwergen sitzen, die an einem Tischlein saßen und vortreffliche Speisen verzehrten und auch den Hund damit fütterten.
Als der Hund unruhig wurde, bemerkten die Zwerge den ungebetenen Gast. Doch sie waren freundlich und luden den Schäfer, dem der Hunger ins Gesicht geschrieben stand, sogleich ein, sich zu ihnen zu setzen und am Mahle teilzunehmen. Das ließ sich der Schäfer nicht zweimal sagen, er fühlte sich auch sehr wohl in der seltsamen Gesellschaft. Doch am Schluß seuzfte er und sagte: "Ach, ich wollte, meine gute Frau könnte auch einmal so köstlich speisen." Da gaben ihm die Zwerge aus Mitleid die Tischdecke mit. "Wenn du diese Decke auf einem einfachen Holztisch ausbreitest", sagte einer der Zwerge, "wird er sich mit allen Speisen und Getränken füllen, die du begehrst. Du darfst nur niemandem das Geheimnis verraten!"
Der Schäfer bedankte sich herzlich und gelobte das Versprechen. Von dem Tag an lebten der Schäfer und seine Frau wie im Schlaraffenland und luden auch viele Gäste ein, in dieser tristen Gegend gab es ja viele arme Leute. Man kann nicht sagen, daß sich der Schäfer nicht darum bemüht hätte, das Geheimnis für sich zu behalten. Doch eines Abends, nach reichlichem Weingenuß, gestand er das Geheimnis seiner Frau. Von diesem Tag an hatte die Decke ihre zauberhafte Wirkung verloren und Wassersuppe blieb den beiden Schäfersleuten bis an ihr Lebensende ihre tägliche Kost.

Das Verschwinden der Zwerge

Schon lange hat niemand mehr nachweisbar einen Zwerg in der Nähe der Neubürg gesehen. Bewohner der Gegend wollen dafür eine Erklärung haben: Vor einiger Zeit floß aus dem sogenannten "Zwergenbrunnen" das Wasser tagelang nur noch blutrot aus der Erde, seitdem trägt er auch den Namen "Blutsquelle". Vielleicht sind die Zwerge in Streit geraten und haben sich gegenseitig erschlagen.